Montag, 20. Februar 2017

W@nder – Konferenz über das Geschenk, nicht hinein zu passen

Um was ging es?


Am 14. und 15. Februar 2017 war ich in Hannover bei der Konferenz w@nder. Angesprochen hatte mich, dass es darin um dieses Fremdsein in der Kirche gehen sollte, von Leuten, die sich dennoch stark mit ihr verbunden fühlen, etwas von ihr oder für sie wollen. Den Ausdruck und die Perspektive des „gift of not fitting in“, des Geschenks oder der Gabe, nicht hinein zu passen, fand ich sehr spannend. Und so traf ich mich zusammen mit ca. 120 weiteren W@ndernden aus der katholischen und der evangelischen Kirche sowie verschiedenen Freikirchen in der Hannoveraner Eisfabrik. Eine Dokumentation darüber findet sich auch hier.

Wie es anfing 


Vor Ort wurde mit der Symbolik rund um eine Bergwanderung gespielt. So hatten die Konferenzräume in der Eisfabrik Namen wie Gletscher, Hochebene, Schlucht und Hütte. In letzterer gab es einen angedeuteten Wald. Es brannte sogar ein Kaminfeuer auf einem Bildschirm, echte Holzscheite lagen daneben und es stand dort … ein Feuerlöscher! Man kann schließlich nie wissen!

W@ndernde Gedanken


Ich bin empfänglich für solche Details und während der ersten Interviews des Abends machte ich mir so meine Gedanken über den Raum, das „Feuer“ und den Feuerlöscher. Ein Feuer, das brennt aber nicht verbrennt erinnert mich nun mal an den brennenden Dornbusch. Mose hatte ihn beim Schafe hüten entdeckt und genau dort etwas Wesentliches von Gott verstanden.

Der Feuerlöscher


Und nun waren hier 120 Kirchenleute, potentiell sollten da Gotteserfahrungen/ -begegnungen nicht ausgeschlossen sein. Aber da war auch dieser Feuerlöscher. Für mich der Hinweis darauf, dass es in der Regel nicht so einfach ist, ein neues Feuer zu entfachen und am brennen zu halten. Es wird immer welche geben, die dies für eine Gefahr halten könnten. Dieser Feuerlöscher-Aspekt, eine nicht zu verleugnende kirchliche und gesellschaftliche Realität, kam mir bei den Gesprächen, an denen ich beteiligt war, ein wenig zu kurz.

Thematischer Einstieg


In der Hütte standen aber auch zwei Sofas mit Leuten drauf, die an diesem ersten Abend von ihren positiven Erfahrungen als Pioniere erzählten. Die Projekte waren zweifellos interessant, ließen mich aber etwas ratlos zurück. Was sollte ich damit anfangen? Solche Projekte gibt es viele. Kirchen- und Katholikentage sind voll davon.

Pioniere


Auch am nächsten Morgen wurden zwei Projekte vorgestellt, die sich aus der jeweils persönlichen Erfahrung, „nicht hinein zu passen“ erfolgreich entwickelt hatten. Mit dem englischsprachigen tat ich mich trotz Dolmetscher schwer. Ich brauche einfach etwas länger, um wieder ins Englische hinein oder mit einer Übersetzung klar zu kommen. Viel Neues war für mich nicht dabei, und wenn doch, dann schien ich die einzige unter lauter Wissenden gewesen zu sein. (z.B.: Was hat es mit diesem ominösen „Start with why“ auf sich, was offensichtlich alle selbstverständlich kannten? Inzwischen hab ichs gegooglet.)

Seilschaften und Routen


Am gewinnbringendsten fand ich die „Seilschaften“ und „Routen“, kleinere Gruppen, in denen intensiv miteinander über das gesprochen werden konnte, was die Teilnehmenden bewegte. Spannende Leute habe ich dabei kennengelernt, teilweise gar nicht weit weg von meinem Zuhause und mit ähnlichen Interessen. Vielleicht wächst da ja etwas aus dem einen oder anderen Erstkontakt.

Twitter-Klassentreffen


Gefreut habe ich mich auch, so vielen Tweeps von meiner Twitter-Timeline live und in Farbe begegnen zu können. Das gab mir gleich ein Gefühl der Vertrautheit. Und meine Timeline ist noch weiter gewachsen …

Me not fitting in


Befremdlich fand ich allerdings auch so einiges und habe damit das Konferenz-Thema sozusagen verinnerlicht. Sowohl im großen Rahmen als auch in den kleinen Gesprächsgruppen gab es anscheinend eine unausgesprochene Übereinkunft, es habe bei allen Pionier-Ideen grundsätzlich immer um Gemeindegründungen und um Gemeindeaufbau zu gehen. Von der Gründung einer Hausgemeinde neben der lokalen Kirchengemeinde war z.B. konkret die Rede. Immer aber sollten Leute, wie auch immer, dazu bewegt werden, sich einer Gemeinschaft anzuschließen.

Sogar mein eigener Routenvorschlag, über das Unterwegssein an sich, seinen ihm innewohnenden Sinn, seine mögliche theologische und geistliche Dimension am Beispiel von (Gemeinde-) Ausflügen, Nachtwanderungen oder Geocaching sollte unter der offiziellen Überschrift „Wo fängt Gemeindegründung an? Von Geocaching und Nachtwanderungen“ für das Thema Gemeindebildung vereinnahmt werden. (Hat zum Glück nicht geklappt. Es gab ein paar andere, die auch im Unterwegssein Zuhause waren.)

Menschen begegnen und begleiten muss nicht in Bindung enden


Aber ist es sinnvoll, das Ziel zu verfolgen, Leute an eine Gemeinde/Gemeinschaft binden zu wollen? Ist da nicht (wie ich es für meine Route formulierte:) das Ziel im Weg? Mir geht es bei meiner Arbeit und auch sonst, wenn religiöse oder kirchliche Themen ins Gespräch kommen, erst mal und vor allem um den oder die einzelnen Menschen, mit denen ich da zu tun habe. Um ihr Leben, ihre Fragen, Erlebnisse, Sorgen, vielleicht auch ihren Glauben – in aller Freiheit. Wenn sich daraus Interesse an weiterem Kontakt und/oder an Gemeinde entwickelt: ok, aber nicht vorrangiges Ziel.

Denn: so wichtig Gemeinschaft für die Weiterentwicklung des eigenen und des gemeinsamen Glaubens auch sein mag: sie ist nicht für jede und jeden von solch großer Bedeutung wie für die, die sich einer solchen verbunden fühlen. Das gilt es zu respektieren, auch im Bereich der Kirchen, finde ich. Ich weiß, dass ich mit dieser Ansicht wiederum andere befremde.

Gemeinsame und (wieder) getrennte Wege


Gemeinsam ein kurzes Stück unterwegs sein, und dann trennen sich die Wege wieder: genau das haben wir doch auch bei w@nder gemacht. Und befinden uns damit in guter biblischer Tradition. Kaum vorstellbar, ALLE Zuhörerinnen und Zuhörer der Bergpredigt wären dem Wander(w@nder?)prediger Jesus in einem riesigen Rudel durch die Lande gefolgt! Wer hätte diese Horde dann wohl noch zu Gast haben wollen?!

Sie gingen vielmehr zurück in ihren Alltag. Genauso wie die Geheilten und Aufgerichteten, die dann doch nicht gesteinigte Frau und die am Jakobsbrunnen. Ihr Leben hatte sich radikal verändert. Davon erzählten sie überall. Aber von der Gründung von religiösen Selbsthilfegruppen habe ich in den Evangelien bislang nichts gelesen.

Aus meiner Pilgererfahrung weiß ich, jeweils beide sind gleich wichtig: Die, die unterwegs sind und sich auf Neuland begeben und die, die an einem Ort bleiben und daher anderen Gastfreundschaft anbieten können. Die, die sich vergesellschaften und die, die für sich bleiben.

Abschlussgottesdienst mit Zeichenhandlung


Was mit einem Gespräch am virtuellen Kamin begann, endete an gleicher Stelle mit einem ökumenischen Gottesdienst. Dabei wurden nach der Predigt alle aufgefordert, zwecks eines erfrischenden „sakramemoralen Kneipens“ nach der W@nderung Schuhe und Strümpfe auszuziehen und durch Behälter mit Wasser zu gehen.

Da wurde für mich rund, was mit dem Dornbusch-Bildschirmfeuer begonnen hatte. Damals bei Mose gings zwar weder um Wasser noch um Fußwaschung, beides kommt bekanntlich später, aber auch er wurde aufgefordert: "Zieh deine Schuhe aus." Denn: "Der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land." So ist das: Auch wenn ich noch nicht wirklich greifen kann, was ich von w@nder mitnehme: Göttliches (was für ein großes Wort! Ich hab aber nix anderes) ist eben un-be-greifbar. Aber irgendwie haben wir sowas wie heiligen Boden betreten.

Update (21.02.2017):


Ein sehr fundierter Artikel, der meine Anfrage vertieft, ob es kirchlicher Arbeit immer im Gemeindeaufbau und Gemeindegründungen gehen muss, wurde eben auf Dei Verbum unter der Überschrift "Hat Jesus Gemeinde gewollt?" veröffentlicht. Sehr lesenswert!

Unterwegskalender - Vorwort

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