Sonntag, 30. April 2017

Auferstehung

In der Lüneburger Landeszeitung gibt es in jeder Wochenendausgabe immer eine
"Kleine Andacht", kurze, nachdenkliche Texte von kirchlichen Mitarbeiter_innen aller Konfessionen aus der Region. Die vom 29. April 2017 ist von mir und auch hier zu lesen.


Kleine Andacht zum 29. April 2017


Während meines Theologiestudiums in den 1980er Jahren in Münster erkrankte plötzlich eine meiner Freundinnen schwer. Sie litt unter einer Psychose, wusste nicht mehr, wer sie war und sah Dinge, die nur für sie existierten. Sie war gewissermaßen nicht mehr von dieser Welt.

Zusammen mit ihrem Freund brachte ich sie zu ihrer Ärztin, die sie dann in eine psychiatrische Klinik überwies. Es war Januar. Kalt draußen und für mich gefühlt auch in mir drin. Diese Krankheit fand ich unheimlich. Ich konnte meine Freundin zwar regelmäßig besuchen, aber irgendwie war sie nicht mehr da. Sie war mir so fremd geworden. Und eingeschlossen in einem ganz eigenen Kosmos, den ich nicht betreten konnte.

Sie konnte zwar sprechen, aber über eine mir fremde Welt. Sie wollte Dinge tun, die in meinen Augen keinen Sinn machten. Und als Folge der Medikamente hatte sie auch weniger Kontrolle über ihren Körper. Die, die sie mal war, war nicht mehr da. Das tat mir weh.

Es dauerte drei Monate, bis sie mit Hilfe von Ärzten, Pflegepersonal, Gesprächen und Medikamenten wieder sie selbst war. Entlassen wurde sie im Frühjahr. Die Sonne hatte wieder mehr Kraft und die Natur blühte bunt. Es war kurz vor Ostern, als meine Freundin wieder für sich selbst sorgen konnte und wieder „unsere Welt“ betrat. Zufällig? Für mich nicht.

Sie war wieder da! Für alle erkennbar. Ausgerechnet an Ostern! Zwar noch etwas angeschlagen, das sah man. Aber wieder die, die wir kannten. Das Unheimliche war weg, all das Beängstigende und Fremde. Wir konnten wieder wie zuvor miteinander reden und essen. Sie so zu erleben, machte mich sehr froh und glücklich. Da habe ich etwas von Auferstehung verstanden.

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